Waldgespräch

Linde.

Guten Abend. Wie steht's?

Eichbaum.

Einstweilen noch fest.
Feststehn dünkt mich das allerbest'
In diesen irren Zeiten,
Wo unter uns der kleinen Welt
Ein rastlos Wandeln nur gefällt,
Ein Schwanken, Streiten und Gleiten.
Schau' ich so aus meiner Ruh'
Der eitlen Hast der Menschen zu,
Wie in Sorgen ihr Tag vergeht,
Und, was sie baun, der Wind verweht:
Dann mit den bärtigen Wurzeln munter
Fass' ich tief in den Grund hinunter,
Der uns trägt seit undenklicher Zeit,
Dann wipfl' ich mit Zweig und Laube
Voller und höher vom Staube
Wolkenhinan in die Lüfte weit.
Und tief erquickt aus des Erdreichs Kerne,
Getränkt von Tauen der Sterne,
Rausch' ich behaglich vor mich hin
Und freue mich, daß ich nicht bin
Wie dies Geschlecht.

Linde.

Bruder, hast recht.
Sind sie nicht Toren?
Für eine Spanne Zeit geboren,
Füllen sie die mit Grillen und Mühn;
Wissen nichts von der Wonne,
Badend im Glanz der Sonne
Still von innen heraus zu blühn;
Im heimlichen Wachsen und Weben
Zu schauern wonnereich,
Alte Tage träumend zu leben
Und neue zugleich.
Laß sie denn schwanken
In ihren Gedanken,
Täglich scheitern und neu sich erkühnen!
Wir bleiben fest an unserm Ort,
Lächeln darein und rauschen fort
Und grünen.

Stimmen
(in den Wipfeln weiter wandelnd).

Wir stehn in Sonn' und Sternenschein
An unserm Ort und lächeln drein
Und rauschen fort und grünen.

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