Allgegenwart der Geliebten

Dort, wo durch zartes Rebengrün
Ein schmaler Steig sich bahnet,
Der Blumen holdes Niederblühn,
Mich an die Blüh’nde mahnet:
Wo vor dem engen Rasenplatz
Die Erde sich entfaltet,
Und mit dem vollen Lebensschatz
Der schöne Sommer waltet:

Dort ist mir so die Ferne nah
Im tausendfachen Bilde,
Hier in dem Quell, als Blume da
Erscheint Sie im Gefilde.
Als Morgenwolke wiegt sie sich
Im Aether mir entgegen,
Und eine Thräne netzet mich
Aus ihrem Aug’ im Regen.

Es ist mir der Geliebten Geist,
Der in dem Vogel singet,
Der in des Stromes Welle kreis’t,
Die Zweig’ als Licht durchdringet;
Es ist ihr heil’ger Athem nur,
Der in dem West mir fächelt,
Und lächelt mir die schöne Flur:
Ist Sie’s nur, die mir lächelt.

Ich werfe mich auf’s weiche Moos
In gläubig süßem Drange,
Da wird der kalten Erde Schoos
So warm, wie ihre Wange.
Dann lüft’ ich manches Liebeswort
Vor den verschwieg’nen Fluren,
Ein herzlich Lied belebt mir dort
Die schweigenden Naturen.

Nach Ihr gestaltet sich die Welt,
Was will ich von der Menge?
Für mich hat dieß vergess’ne Feld
Verständlichere Klänge.
Ich lasse dir den Lärm, den Spott,
Lebendiges Gewimmel!
Mir hebt das Herz ein stiller Gott
In einen sel’gen Himmel!

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