Wie der Stern erschien

So gingen Viele zu den Sternen,
Die sahen den verheißnen nicht,
Und andre stiegen auf, zu lernen,
Von wannen schiene doch sein Licht.
Und diese schieden auch im Glauben
Und starben hin in Hoffnungslust,
Kein Zweifel kam, den Stern zu rauben,
In die erhellte Heidenbrust.

Und Zwölfe blieben's ihrer immer,
Sie harrten aus im Glanz der Nacht,
Sie schliefen bei des Tages Schimmer,
Von stern'gen Träumen angelacht.
Noch lagen sie, in die Gewande
Gehüllt, in Abends erstem Duft,
Da weckte sie ein Glanz am Rande,
Wo sich berühren Erd' und Luft.

Die Blicke glühn, die Herzen schwellen,
Denn, einer Morgenröte gleich,
Sehn sie den Osten sich erhellen,
Und alle Sterne werden bleich;
Es steigt, es steigt – es ist die Sonne,
Zu nennen ist ein Stern es nicht,
Getrunken hat er aus dem Bronne
Des ew'gen Lichtes selbst sein Licht.

Er sendet lange, goldne Stralen,
Nicht, wie die andern Sterne thun,
Die heute matt in ihrem fahlen,
Verschwommnen, armen Glanze ruhn.
In ganzen Strömen gießt er nieder,
Das Licht, das seinem Kern entstammt,
Als schlüg' ein Adler sein Gefieder,
So wallt sein Stral, und fleugt und flammt.

Die Zwölfe sandten Zeichentöne
Ins nebeleingehüllte Land,
Dieweil der Stern in seiner Schöne,
Den Berg verklärend, stille stand.
Er stand und wich nicht mit dem Dunkel,
Er spielte mit dem Morgenthau;
Die Sonne kam, es drang sein Funkel
Unausgelöscht hinab zur Au'.

Da ward ein Jubel und ein Schrecken,
Als man gewahrte Berg und Thal
Mit zweier Sonnen Schein sich decken,
Und Alles glühn im Doppelstral.
Es war, als ob mit Zungen sängen
Die Lichter hell einander an,
Es war, als spräch's in tausend Klängen:
Geht, euren König zu empfahn!

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