Die Predigt am Magdalenentage

Ein Priester predigte am Tage Magdalenen
Vom Greuel ihrer ersten Lebensart;
Doch ward nachher das Lob der Schönen
Ob ihrer Reu’ und Busse nicht gespart –

Nun fuhr der Redner zu den Damen,
Die vor ihm sassen, eifernd fort:
»Wie viel sind unter euch, die mehr zu diesem Ort
Sich zu belustigen, als zu belehren kamen! –

Absonderlich ist eine unter euch,
Bei der hilft weder Droh’n noch Bitten –
An Leichtsinn und an losen Sitten
Bleibt sie vielmehr sich immer gleich! – –

Wie heilig hat sie alle Jahr’
Im Beichtstuhl Besserung versprochen –
Allein wie allzubalde war
Stets dies Gelübd’ gebrochen? –

Und da sie ihre Frechheit immerdar
Noch gar vermehrt – wer kann’s verwehren,
Wenn wir sie öffentlich beschwören? –
Das will ich jetzt auch thun! – Es ist – es ist –

Was meint ihr? soll ich namentlich sie nennen? –
Ich sollt’ es freilich wohl – doch wisst – –
Allein warum nicht? – Gut, ihr sollt sie kennen! –
Vielleicht bringt dies zu ihrer Pflicht

Sie noch zürück – so leid mir’s thut, sie zu beschämen.
Es ist – doch – ohne Makel könnt’ ich nicht
Den Namen nur auf meine Zunge nehmen! –
Ich will sie drum auf andre Art der Welt

Kundmachen und an ihr das Strafamt schärfen.
Dort sitzt sie! – Wie sie sich nicht stellt! –
Jetzt werd’ ich mein Gebetbuch nach ihr werfen! –
Gebt acht! – Gebt acht! auf wen es fällt!« – –

Indem er nun empor mit seinem Buche fuhr,
War jede bange vor dem Falle,
Und jede bückte sich. –
»Verborbene Natur! –
Ich dacht’, es wäre eine nur –
Nun seh’ ich wohl – sie sind es alle!«

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