Ein Übermensch schläft sich gern aus

Ein Übermensch schläft sich gern aus
Den andern ist er doch voraus.

So lag ich oft noch mittags da
Und wartete, was heut geschah.

Nur Nächte hatte ich genossen,
Doch von der Liebe, jener großen,

Die auch am Tage bleiben soll,
Davon wußt' ich noch keinen Zoll,

Denn keiner von den schönen Frauen
Wollte ich noch fürs Leben trauen.

Die einen, ach, die sprachen tief,
Bis jeder Fleischeswunsch entschlief,

Sie ließen sich gern Schwestern nennen,
Um sich nicht ganz vom Mann zu trennen.

Die andern, ach, das sind die Braven,
Die lieben gern nach Paragraphen;

Sie sind's, die mehr als nützlich sind
Und lieben statt dem Mann das Kind.

Die Dritten trugen hoch den Busen
Und liebten durchsichtig die Blusen,

Die sind zum Herzklopfen gemacht,
Doch küssen sie gern unbedacht.

An jeder hat mich was gequält.
Ach, wenn doch einer für mich wählt!

Weil dieses dann für mich geschah,
Deshalb ist dies Kapitel da.

Sie war ein Mädchen stolz und rar,
Hochmütig war an ihr das Haar,

Das war aus Gold wie ein Dukat,
Rein vierundzwanzig im Karat.

Ihr Auge flog ganz leicht ins Grün,
Wie Eidechsen, die stets entfliehn.

Und eilte man den Augen nach,
War's wie am Pol ein halb Jahr Tag.

Hell wie der Demant Koh-i-noor
Kam mir des Mädchens Seele vor.

Ich habe sie nur angeschaut,
Da war sie mir wie angetraut.

Ich sterbe, dacht' ich, Stück um Stück,
Gibt sie mir nicht den Blick zurück,

Doch sollte ich noch lange warten,
Denn man befand sich auf Irrfahrten.

Hatt' sie gesehn und ging wie immer
Nach Haus, da saß sie schon im Zimmer,

Ihr Antlitz war in der Tapete,
Als wenn ich es bestellt mir hätte,

Im Goldfischglas am Blumentisch
Schwamm sie ganz klein als flinker Fisch,

Und nirgends war es mehr geheuer;
Im Ofen tanzte sie im Feuer,

Sie sank als Schnee an meine Scheiben,
Ich konnt' nicht lesen mehr, nicht schreiben,

Statt Buchstaben sah ich nur Haar,
Weil sie von A bis Z da war.

Sie war mein Schatten, saß im Mond,
War überall, wo sich's nur lohnt.

Dieses Zusammensein allein
Ging tief auf meine Nerven ein,

Und ich verlor den Appetit,
Mein Magen wollte nicht mehr mit,

Ich gab mein Fett in Tonnen her,
Und nur mein Herz blieb zentnerschwer.

Filzschuhe hat das Schicksel an,
Weil man es gar nicht hören kann.

Teilt es die Schicksalsschläge aus,
Trifft es uns darum stets zu Haus.

Ich sah die Dame meiner Wahl
Öfters in einem Lesesaal,

Wo man für zwanzig Pfennig saß
Und vieles mit den Augen las.

Sie übersprang der Bücher Lauf
Und schnitt mehr gern die Seiten auf.

Dazwischen sprachen wir ein Wort,
Und jeder sah dann schleunigst fort.

Doch finden sich noch andre ein,
So ist man nicht mehr so allein.

Unter den andern ist P.T.,
Den ich dabei nicht gerne seh,

Zu dreien ist die Liebe schwer,
Und einer geht dann nebenher.

An einem Winternachmittag,
Als Schnee auf allen Dächern lag,

Wie Schnee war's mir gar hell im Sinn:
Vor mir da stund Frau Königin.

Frau Königin hieß jene Dame,
Und besser paßte ihr kein Name.

Ich traf sie just vor meiner Tür.
Sie sagte just, sie wollt' zu mir.

Mir fiel vom Scheitel fast der Hut,
So heiß schoß mir ins Haar das Blut.

Sie sagte mir ernst und bescheiden:
»Ich weiß, Sie können P.T. leiden,

Er will sich heut mit mir verloben,
Ich hab's auf morgen aufgeschoben.

Möcht' fragen, halten Sie's für gut,
Da man so kurz sich kennen tut?«

Der Schicksalschlag war eingetroffen,
Inwendig stand der Mund mir offen.

Der Himmel schien mir aufgerissen,
Mein schönstes Ich hinausgeschmissen.

Warum trägt man gestärkte Kragen?
Man kann drin keine Wahrheit sagen.

Galoschen, die zu weit am Schuh,
Auch sie rauben die Wahrheitsruh.

Kurz, man versteckt sich in Betrug,
Denn Emballagen gibt's genug.

Mein Hals, der wollte laut aufschrein,
Der Stehkragen, der sagte: nein.

Ich wollt' zum End' der Welt hingehn,
Doch die Galoschen blieben stehn.

Ich wollte rufen: nimm doch mich!
Doch tief verpackt lag still mein Ich.

Und da Entsagung edel klingt,
Wenn einst davon die Nachwelt singt,

Lobt' ich den Freund, ganz wie ich sollte,
Und wie er's ja auch haben wollte,

Zeigt ihn in glänzender Parade,
Nannte ihn meine Bundeslade.

Ein Elefant ward aus der Laus.
Königin sah erstaunter aus.

So gern hätt' ich getobt, verneint
Und Balthasaren tief beweint,

Doch öfters spiel' ich jene Rollen,
Die keine andern spielen wollen,

Denn ich war niemals Götterknecht:
Was ich nicht soll, tu ich erst recht.

Ich sprach dann noch: »Frau Königin,
Gehn Sie noch heut zu P.T. hin,

Und da sich noch kein andrer fand,
Reichen Sie dreist ihm Ihre Hand.

Verloben ist meist ein Riskieren,
Es wird nicht besser vom Genieren.

Sie sollen sich noch heut verloben, –
Verzeihung, ich vergaß was oben.«

Leis hieß ich sie so weitergehen,
Denn meine Seele hatte Wehen,

Und ich stieg schwer zu meinem Zimmer,
Die Möbel zeigten Tränenschimmer.

Wenn sich etwas ins Aug' verirrt,
Sieht man die Gegend irisiert.

Ich putze öfters meine Nase;
Kalt war sie wie 'ne Totenvase.

Auch du ein Brutus, dacht' ich, Beste!
Hell sprang etwas auf meine Weste.

Ach Leid, du bist oft menschengroß,
Doch kleine Tränen weinst du bloß,

Und sieht man deinen kleinen zu,
So wird man Null und bekommt Ruh'.

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