Ein Übermensch bist du, ei was!

»Ein Übermensch bist du, ei was!
Ach, sage mir, wie macht man das?« –

»Mein Lieber, das ist gar nicht schwer,
Man ist einfach nicht menschlich mehr.

Bist du von dir steif überzeugt,
Es jeden andern auch so deucht.

Nie danke, wenn man dir was gibt,
Nimm einfach, weil es dir beliebt;

Denn Dank ist eine Knechtaktion.
Du nimmst, und das sei andern Lohn.

Und Achtung sollst du niemals suchen,
Die ganze Menschheit sei dir Kuchen.

Geld kennt man nicht, weil's zu viel gibt,
Und weil es jeder weiterschiebt.

Mit Schulden sollst du alles zahlen,
Das wird dir auch viel leichter fallen.

Man spreche immer nur von sich,
Und alle denken dann an dich,

Denn du allein sollst weiterleben,
Weil das dem Übermensch gegeben.« –

»Gar manches hätt' ich einzuwenden,
Sind Übermenschen nicht zu pfänden? –

Nicht leicht, da sie nicht alles haben,
Denn Glanz, den lieben nur die Raben.«

»Wie ist's mit Lieben, Rauchen, Trinken? –
Das sollst du, bis die Knochen stinken.«

»Dies letztre scheint mir, taugt etwas,
Ich werde Übermensch zum Spaß.«

Man sieht, die Großstadt macht geweckt,
Ich hatte einen Freund entdeckt,

Den Übermenschen Balduin
Tom Cäsar Christian P.T. Stien.

Gar gern erzählte er von Dingen,
Die zwischen Erd' und Himmel hingen.

Und Übermensch war er von Herzen,
Ich wurd' es auch, doch mehr mir Schmerzen.

Auch Übermenschen fällt beim Wein
Des Lebens hohe Seite ein,

Vom Weibe spricht man viel Gespräche,
Und höher wächst des Weines Zeche.

P.T. meinte, ich sei verloren
Und nicht als Übermensch geboren,

Wenn ich vom Weibe Höh'res wollte,
Als wie sie sein und bleiben sollte.

»Hohes bei Frauen gibt es nicht,
Als daß sie mal Französisch spricht,

Nimm nicht der Frau die Proportion,
Die Frau wirkt leer im höhern Ton.

Heut tut sich jede gleich beschweren,
Soll sie im Jahr einmal gebären,

Sie wirft sich kalt auf das Gehirn,
Statt Busen hat sie nur noch Stirn,

Zu laut wird sie für heut geboren
Und ist oft ein Geschrei den Ohren.

P.T. verhalf mir auf die Sohlen,
Versäumtes schleunigst nachzuholen,

Als ich ihm nämlich eingestand,
Das Weib sei mir noch unbekannt.«

»Das Weib,« sagt' er »man bring' es her!
Wünschest du eins oder gleich mehr?

Ach,« fügt er zu, »du bist noch schüchtern,
Dann macht dich wohl schon eine nüchtern.«

Ja, wenn du willst, so hol' ich sie,
Sie steht gleich unten vis-à-vis.«

Und damit eilt' er fort, der Gute.
Ich wartete auf meiner Bude.

Ach, dachte ich, wie soll das werden,
Dein Freund macht sich zu viel Beschwerden,

Doch Übermenschen sind wir beide,
Und deshalb macht es ihm wohl Freude.

Es war ein Übersommerabend,
Und nicht einmal die Spree war labend.

Ich dacht' an Vater und an Schwester
Und an die lieben Heimatrester.

Mein Herz hatte Kürbisgewicht
Und seufzte: Ach Gott, käm' sie nicht!

Ich löschte Lamp' und Kerzen aus
Und tat, als wär' ich nie zu Haus.

Vielleicht bleibt sie mir dann vom Hals,
Und alles andre ebenfalls.

Ich schwur: Ich laß sie nicht herein,
Dies Zimmer ist doch, denk' ich, mein.

Am liebsten wollt' ich mich verstecken,
Tauchte den Kopf ins Wasserbecken,

Doch mußt' ich bald wieder heraus,
Ich fühlte mich nicht ganz zu Haus.

Nichts hilft, dacht' ich, ich sage: Ja.
Da stand sie in persona da,

Das Weib! O, das war viel, mein Gott!
Mir war's die erste Nacht in Rot.

Hatt' ich zwei Brüste je gefühlt?
Nie wußte ich, daß Hitze kühlt,

Mein Herz war eine Kanonade
Und schlug durch alle Breitegrade.

Wo war ich denn so lang gewesen?
Und warum lernte man denn Lesen?

Wenn's Leben doch, als Weib genommen,
In allen Lagen süß vollkommen.

Und Küsse sind ja reich erfunden,
Steigend wie an der Uhr die Stunden.

Ich fühlte, daß die Liebesnacht
Noch vor dem Schöpfungstag gemacht.

Sie ist es, die auf dieser Welt
Erde und Mensch zusammenhält.

Warum erfährt man das so spät,
Was nächtlich köstlich vor sich geht?

Wie kann es Krieg und Schauder geben,
Da doch die schönsten Frauen leben?

Was braucht ein Volk noch Religionen,
Wenn Mann und Weib im Himmel wohnen?

Nie schien mir eine Nacht so klar,
Jetzt wußt' ich doch, weshalb ich war.

Als Knab' war stets mein Bettgebet:
Gott gib, daß ich nicht sterben tät,

Eh nicht mein Blut einmal erfuhr
Des Weibes Liebe in Natur.

Ich kann nicht gleich davon aufhören,
Ich muß noch etwas weiterschwören.

So heiß mir nie ein Mantel war,
Wie in der Nacht des Weibes Haar,

Und Küsse lehrte sie mich viel,
Pointen bei dem Liebesspiel.

Gelehriger kein Schüler war
Als in der Nacht der Balthasar.

Am Morgen wußt' ich gar nicht mehr,
Ob ich in meiner Haut noch wär.

Ich sagte mir: wie ich es seh,
Liegt ja Berlin noch an der Spree.

Zum Spiegel trat ich dann schnell hin,
Weil ich so gerne eitel bin,

Und sagte: »Ei, da sieh mal an,
Da drin steht Balthasar, der Mann.

Ich hoffe, daß wir Freunde bleiben,
Männlich sind wir, nicht zu beschreiben.

Rechne dem Vater hoch es an,
Daß er mich auf die Welt getan,

Und auch der Mutter in dem Grab
Send' ich mehr als den Dank hinab.«

Und als mich dann Berlin begrüßte,
Kränkt's mich, daß es nicht jeder wüßte.

Die Menschen ich ganz anders sah,
Man wußte jetzt, was nachts geschah.

Ich fand, man macht zu wenig draus,
Die Menschheit sah undankbar aus.

Ich sah die Sonne kräftig an,
Und fühlte mich als Übermann.

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