Die Tränen

Tränen, euch, ihr trauten, lieben,
Bring ich diesen Dankgesang!
Seid ja auch nicht ausgeblieben,
Wenn mein Herz im Liede klang;

Schlichet die bekannten Gleise
Still herab, als wolltet ihr
Meinen Schmerz behorchen leise,
Und das Lied quoll sanfter mir.

Wenn der Dolch im Busen wühlte,
Tief vom Unglück eingebohrt,
Kam der Trost von euch und spülte
Linde die Verzweiflung fort.

O flieht keinen Wildumdrohten
Von Orkan und Wetterschein!
Naht ihm, naht ihm, Friedensboten,
Laßt den Armen nicht allein!

Ist die Nacht vorbei, so fehle
Ihm doch eure Treue nicht,
Und die Traufe seiner Seele
Netze mild sein Angesicht

Mit der Wehmut süßen Tropfen,
Daß sein Herz, wars auch gequält,
Nie verlerne doch zu klopfen
Dieser schönen Gotteswelt. –

Nicht nur, wo der Herzensnager
Gram wühlt, habt ihr euern Lauf,
Auch wo Lust ihr Reiselager
Schlägt in einem Busen auf:

Ha, wie wogt das Festgetümmel
In dem engen Kämmerlein,
Wenn der ganze reiche Himmel
Überfüllend will hinein!

Und die Tränen seh ich blinken
Auf der Wang im Freudenglast,
Und sie zittern, und sie winken
Alle Welt herein zu Gast. –

Als ich einst am Sterbebette
Eines lieben Freundes stand
Und der Tod die Freudenkette
Kalt uns aus den Händen wand;

Weint ich ihm die letzte Ölung,
Und – schon lag er still und bleich:
Doch in seines Auges Höhlung
War noch eine Träne weich;

War so heilig anzuschauen,
Wies die Sehnsucht himmelan,
Wie der Engel, den die Frauen
Einst am Grabe Jesu sahn.

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