Einem Knaben

Was trauerst du, mein schöner Junge?
Du Armer, sprich, was weinst du so?
Daß treulos dir im raschen Schwünge
Dein liebes Vögelein entfloh?

Du blickest bald in deiner Trauer
Hinüber dort nach jenem Baum,
Bald wieder nach dem leeren Bauer
Blickst du in deinem Kindestraum.

Du legst so schlaff die kleinen Hände
An deines Lieblings ödes Haus
Und prüfest rings die Sprossenwände
Und fragst: »Wie kam er nur hinaus?«

An jenem Baume hörst du singen
Den Fernen, den dein Herz verlor,
Und unaufhaltsam eilig dringen
Die heißen Tränen dir hervor.

Gib acht, gib acht, o lieber Knabe,
Daß du nicht dastehst trauernd einst
Und um die beste, schönste Habe
Des Menschenlebens bitter weinst!

Daß du die Hand, die sturmerprobte,
Nicht legst, ein Mann, an deine Brust,
Darin so mancher Schmerz dir tobte.
Dir säuselte so manche Lust;

Daß du die Hand mit wildem Krampfe
Nicht drückest deinem Busen ein,
Aus dem die Unschuld dir im Kampfe
Entflohn, das scheue Vögelein.

Dann hörst du flüstern ihre leisen
Gesänge aus der Ferne her;
Neigst hin dich nach den süßen Weisen;
Das Vöglein aber kehrt nicht mehr! –

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