Zweifel

Gestern Mittag sagt mir wer
– Pfui, mich so zu packen! –
»Alter Sohn, dein Gang wird schwer
»Und gebückt dein Nacken;

»Und mir scheint, dich schmerzt dein Knie
»Allemal beim Bücken;
»Silbern schimmert’s dir bereits
»Von den Schläfenbrücken.

»Nächstens kriegst du’s Zipperlein
»Und den Wilhelmsorden,
»Und dann siehst du endlich ein,
»Dass du alt geworden« …

Und da hab’ ich ohne Wort
Meinen Schirm ergriffen;
Tief entrüstet ging ich fort,
Hab’ mir eins gepfiffen.

Aus der Stadt schritt ich hinaus,
Um ins Land zu sehen –
Rechts das rote Krankenhaus,
Links die Mausoleen. –

Bei der Höhe auf der Bank,
Tief die Stadt als Schemel,
Sass ein Mädchen sehnsuchtskrank,
Las im Richard Dehmel.

Und wir kamen ins Gespräch
So von dem zum andern –
Hatten just denselben Weg
Beim Nachhausewandern.

Vater tot und Mutter krank,
Und zu Haus kein Eden …
Na – wie Mädchen auf der Bank
Abends eben reden.

Sprachen dann beim Mondenschein
Von der Nächte Schöne,
Und wir fanden ungemein
Viel verwandte Töne.

Seltsam – wie beim Abschied just,
In des Stadtthors Schatten,
Uns’re Lippen unbewusst
Sich gefunden hatten.

Und mit heissem Jugendtrank
Meine Seele labend,
Sprach sie leise: »Bei der Bank,
Liebster, morgen abend!« …

Und ich trug mein Herz so heiss
Heim von all dem Glücke – –
Ach, was schert mich nun das Weiss
An der Schläfenbrücke!

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