Vergangenheit

Des Dörfchens Weidenkranz verschwimmt im grauen Duft,
Am falben Busche weht der Abendhauch,
Die Vögel taumeln träg durch feuchte Luft,
Und durch die Bäume dringt der Hütten Rauch.

Der Tag, der durch der Dünste weißen Flor,
Mit goldnem Aug der öden Flur gelacht,
Berührt der dunkeln Göttinn graues Thor,
Und senkt sich schweigend in den Schooß der Nacht.

Mit heimlichem und ungewissem Licht
Entglimmt schon hier und da in Dämmerung
Des Dörfners kleines Lämpchen, und verspricht
Dem irren Wanderer Beruhigung.

Wo seid ihr hin, ihr Stunden? wohin trug
So schnell, so rastlos euch der Strom der Zeit?
Ihr weht und woget, und an eurem Flug
Hängt oft des Menschen stille Seligkeit!

Wo ist der Sonnenblick, der durch der Büsche Nacht
Oft goldne Flecken auf dem Rasen wob,
Und meinen Geist mit zauberischer Macht
Zu leichten Himmelsahndungen erhob?

Wo blühn die Blumen, die Gefühl und Lust
Mir hier zum lieblichsten der Kränze wand?
Ich sinke still an der Erinnrung Brust,
Und ach! er liegt verwelkt in ihrer Hand!

Verweht, wie Zephyr, ist die Harmonie,
Die sonst mit heil’gem, himmlischreinem Klang
Aus allen Wesen quoll mit holder Sympathie,
Wenn Freude mir durch alle Pulse drang!

Im Nachtwind, der mit traurigem Gestöhn
Im Schilfe seufzt, das an des Teiches Moor
Noch einsam wachet, klagt ein säuselndes Getön
Mir leise diesen bangen Zuruf vor:

»Was suchst du hier? die Stunden sind verweht,
»Vergangenheit nahm sie in ihren Schooß.
»Die Blume stirbt – ein neu Gebild entsteht,
»Und keine Stunde reißt sich wieder los!«

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