Die Polizei und der Vielgläubige

Polizei.

Welcher Glaube ist der deine,
Nenn' uns heute die Gemeine.

Vielgläubige.

Ich hoffe auf den Glauben
Und habe ihn noch nicht,
Ich wart' auf reife Trauben
Mit sauerem Gesicht;
Bald war ich jetzt katholisch,
Bald wieder Protestant,
Das macht mich melancholisch:
Ich glaub' an allerhand.

Polizei.

Jeder muß sich hier bekennen,
Wie wir ihn beim Glauben nennen.

Vielgläubige.

Nun freilich ich benannte
Mich erst ein Protestant,
Ich hatte viel Verwandte
Die sich dazu bekannt;
Dann sah ich Prozessionen
Und einen Wallfahrort,
Da, meint' ich, sey gut wohnen,
Ich schwor auf Papstes Wort.

Polizei.

Vaterland und Vaterglauben,
Ließest du vom Schein dir rauben.

Vielgläubige.

Ich hab's auch bald bereuet,
Beim ersten Fasttag schon,
Wie da der Magen schreiet,
Als prellt' ich ihn ums Lohn;
Mit Milch und Mehl und Eiern
Vertrage ich mich nicht,
Soll ich den Fasttag feiern,
Verlang' ich Fleischgericht.

Polizei.

Wer das »A« gewagt zu sagen,
Muß das »O« und »W« ertragen.

Vielgläubige.

Ich könnt' es nicht ertragen,
Ich aß als Protestant,
Da hab' ich's mit dem Magen
In rechter Tief' erkannt;
Ich lacht' in starkem Muthe,
Wenn einer Katholik,
Da drang zu meinem Blute
Ein schöner Himmelsblick.

Polizei.

Endlich, endlich kommt die Gnade,
Denn es war um euch doch schade.

Vielgläubige.

Ein Mädchen kam gegangen,
Ein fromm katholisch Kind,
Die hat mein Herz gefangen
Und wandt' es gar geschwind;
Sie schwur, mich zu vermeiden,
Weil sie die Ketzer scheu',
Ich schwor mit tausend Eiden:
Daß ich katholisch sey.

Polizei.

Ey, wer wird so fälschlich schwören,
Schöne Mädchen zu bethören.

Vielgläubige.

Ich hatte wahr geschworen
Der Jungfrau klar und rein,
Sie hatte mich erkohren,
Der Glaube war nun mein;
Ich könnt' andächtig knieen,
Es that kein Knie mir weh,
Auch fastend mich erziehen,
Sie nahm mich zu der Eh.

Polizei.

Wenn's nur wäre von Bestande,
Wäre Glaub' aus Lieb' nicht Schande.

Vielgläubige.

So ward ich an dem Tage
Vermählt und Katholik;
Bald lernte ich die Plage,
Vergaß gar bald mein Glück.
Denn hinter heil'gen Augen
Trug sie ein Alltagspaar,
Und Worte, scharf wie Laugen
Gab sie das ganze Jahr.

Polizei.

Nun, du bist nicht zu beneiden,
Denn der Tod kann euch nur scheiden.

Vielgläubige.

Das mußte ich vernehmen
Als ich um Scheidung bat;
Ich mußte mich bequemen
Und folgte gutem Rath;
Weil Protestanten schieden,
Glaubt' ich mich Protestant,
So wechselt stets hienieden
Mit Glauben Unbestand.

Polizei.

Nein, das heißt zu viel changiren,
Wird dich nicht zum Glauben führen.

Vielgläubige.

Ja wohl! Die Protestanten –
Woll'n all' was Eignes seyn! –
Schnell aus der Kirche rannten
Und ließen mich allein;
Selbst Prediger und Küster
Lief aus der Kirche gleich,
Die leere Kirch' ist düster,
Ich bring' die Schlüssel euch.

Polizei.

Lauf nur nach, zu der Gemeine,
Frag' sie, wie ihr das erscheine?

Vielgläubige.

Ich kann sie nicht erreichen,
Mir geht der Athem aus;
Ihr müßt zum Lerchenstreichen
Mit einem Netz heraus;
Sie hassen das Gemeine,
Entliefen gern der Welt,
Doch tragen ihre Beine
Sie nicht ins Himmelszelt.

Polizei.

Unbegreiflich, daß wir Alle
Nichts gewußt von diesem Falle.

Vielgläubige.

Sie sind in sich verzücket,
Wie hinter einem Wall,
Und haben nichts erblicket,
Als ihrer Verse Fall;
Sie fangen an zu pred'gen
Und wissen nicht den Text,
Sie müssen sich entled'gen,
Als wären sie behext.

Polizei.

Nun, die sollen schön bezahlen,
Wenn sie sich so thöricht prahlen.

Vielgläubige.

Sie wollen nicht bezahlen,
Als mit dem Wörterhauch,
Sie glauben, daß sie strahlen,
Ich sehe lauter Rauch;
Sie können prophezeihen,
Doch hört noch Keiner zu,
Sie müssen drum so schreien,
Gott gebe ihnen Ruh.

Polizei.

Bis wir die Gemeine fassen,
Bist du vom Gericht entlassen.

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