Die Giftmischerin

Dies hier der Block und dorten klafft die Gruft.
Laßt einmal noch mich atmen diese Luft,
Und meine Leichenrede selber halten.
Was schauet ihr mich an so grausenvoll?
Ich führte Krieg, wie jeder tut und soll,
Gen feindliche Gewalten.
Ich tat nur eben, was ihr alle tut,
Nur besser; drum, begehret ihr mein Blut,
So tut ihr gut.

Es sinnt Gewalt und List nur dies Geschlecht;
Was will, was soll, was heißet denn das Recht?
Hast du die Macht, du hast das Recht auf Erden.
Selbstsüchtig schuf der Stärkre das Gesetz,
Ein Schlächterbeil zugleich und Fangenetz
Für Schwächere zu werden.
Der Herrschaft Zauber aber ist das Geld:
Ich weiß mir Beßres nichts auf dieser Welt,
Als Gift und Geld.

Ich habe mich aus tiefer Schmach entrafft,
Vor Kindermärchen Ruhe mir geschafft,
Die Schrecken vor Gespenstern überwunden.
Das Gift erschleicht im Dunkeln Geld und Macht,
Ich hab es zum Genossen mir erdacht,
Und hab es gut befunden.
Hinunter stieß ich in das Schattenreich
Mann, Brüder, Vater, und ich ward zugleich
Geehrt und reich.

Drei Kinder waren annoch mir zur Last,
Drei Kinder meines Leibes; mir verhaßt,
Erschwerten sie mein Ziel mir zu erreichen.
Ich habe sie vergiftet, sie gesehn,
Zu mir um Hülfe rufend, untergehn,
Bald stumme, kalte Leichen.
Ich hielt die Leichen lang auf meinem Schoß,
Und schien mir, sie betrachtend tränenlos,
Erst stark und groß.

Nun frönt ich sicher heimlichem Genuß,
Mein Gift verwahrte mich vor Überdruß
Und ließ die Zeugen nach der Tat verschwinden.
Daß Lust am Gift, am Morden ich gewann,
Wer, was ich tat, erwägt und fassen kann,
Der wird's begreiflich finden.
Ich teilte Gift wie milde Spenden aus,
Und weilte lüstern Auges, wo im Haus
Der Tod hielt Schmaus.

Ich habe mich zu sicher nur geglaubt,
Und büß es billig mit dem eignen Haupt,
Daß ich der Vorsicht einmal mich begeben.
Den Fehl, den einen Fehl bereu ich nur,
Und gäbe, zu vertilgen dessen Spur,
Wie viele eurer Leben!
Du, schlachte mich nun ab, es muß ja sein.
Ich blicke starr und fest vom Rabenstein
Ins Nichts hinein.

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