Auf einen Granatenzweig

Dank, Freundin, daß dem Wintermüden,
Den hier des Nordens Eis umstarrt,
Von dir und dem geliebten Süden
Ein Gruß in diesem Zweige ward!

Schon hat, getränkt von meiner Schale,
Er sich mit Blüten reich geschmückt,
Und duftet wie im Mühlenthale
Amalfis, wo du ihn gepflückt.

Und während matt durchs Flockentreiben
Die bleiche Sonne draußen strahlt,
Und Blumen Eises an die Scheiben
Der frostige Dezember malt,

Schwebt mir beim Frühlingsduft hier innen,
Der aus den roten Kelchen quillt,
Im Traum und Wachen vor den Sinnen
Dein und Italiens Zauberbild.

Hoch seh' ich ob den Meergestaden
Dich an den Felsenrand gelehnt,
An dem mit schäumenden Kaskaden
Die wilde Schlucht der Mühlen gähnt.

Den Schellenklang der Tarantellen
Vernehm' ich, der das Thal durchhallt
Und rauschend mit den Wasserfällen,
Den tosenden, nach oben schallt;

Gelächter und Gesang dazwischen,
Halb von der Flut nur übertäubt,
Die donnernd hier und dort mit Zischen
Hinsinkt und wieder aufwärts stäubt;

Und zitternd bei dem Wogenrollen
Senkt ein Granatbaum an dem Rand
Die Aeste tief, die blütenvollen,
Hinunter von der Felsenwand;

Du aber beugst dich zu der Neige
Des Abgrunds, über dem er hangt,
Und einen brichst du mir der Zweige,
Der in dem reichsten Schmucke prangt.

Oft träum' ich so, und beim Erwachen –
Sieh da! vor Augen hab' ich ihn;
Noch tönt im Ohre mir das Lachen,
Noch das Geklirr vom Tamburin.

Noch blitzt vom Schaum der Katarakte
Auf jedem Blatt der feuchte Staub;
Mir ist, als zittre von dem Takte
Des Wassersturzes noch das Laub.

Mag denn der Sturm des Winters wüten,
Mich, Freundin, schützt ein Talisman;
Stets haucht mich aus des Zweiges Blüten
Dein und Italiens Odem an.

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