Rast Bei Milet

Nun füllt die Becher mit funkelndem Wein!
Sanft rastet sich's hier, wo in langen Reihn
Gebrochene Säulen ragen;
Darüber hinweg das blauende Meer
Und die Quadern des Tempeldaches umher
Mit den Riesen, die es getragen.

In Schutt gesunken das hohe Milet!
Die Asche der Helden und Weisen verweht,
Der Name »Hellenen« verklungen!
Um Trümmer nun tönt der Wogen Geroll,
Des Schakals Heulen, wo einst dem Apoll
Die Dichter Hymnen gesungen.

Doch, ob der Glanz der Völker erlischt,
Ob allen Winden ihr Staub sich mischt,
Den Kommenden bleibt ihr Vermächtnis;
Und was sie geschaffen in That und Wort,
Lebt herrlich und hoch noch fort und fort
In spätester Enkel Gedächtnis.

Glückselig, wer Großes auf Erden vollbracht!
Nicht bangt ihm, wenn sie in ewiger Nacht
Dort unten die Gruft ihm bereiten;
Er weiß, solange die Sonne kreist,
Wird leuchtend von Jahre zu Jahre sein Geist
Der Menschen Geschlechter durchschreiten.

Auf, Freunde! Noch strahlt uns der Lebenstag;
Auch uns, daß man unser gedenken mag,
Laßt wirken und streben und ringen!
Stoßt an auf den Ruhm, der nimmer vergeht,
Und, mag uns umstieben der Staub von Milet,
Indessen die Becher erklingen!

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