Bußgesang eines zerknirschten Herzens

Wenn abends uns die braune Nacht
In Schatten schwarz verkleidet,
Wenn dann ich meine Schuld betracht',
Mein Herz in Ängsten streitet,
In Tränen, Leid, und Traurigkeit
Die Augen mir zerrinnen,
Zum Himmel auf, zum Sternenlauf,
Schau' ich mit trüben Sinnen!

Verweilt ihr Perlen schimmernd klar,
Ihr makellosen Lichter,
Verweil' du Fackelträgerschar,
Hellflammend vor dem Richter!
Sternhimmel, über dem Er thront,
Vernehme meine Klagen,
Du Mond, der Ihm zu Füßen wohnt,
Hör' an mein Leid und Zagen!

Weh' mir! o Angst und Herzeleid!
Mit Schuld bin ich umfangen;
Auf, auf, ihr heißen Brünnlein beid',
Nun strömt mir von den Wangen!
Klagt, schöne Sterne, meine Not,
Von Gott bin ich gewichen!
Ach schöner Mond, in Sünde Tod
Ist meine Seel' erblichen!

Ström' ab, ström' ab, du Tränenbad,
Mein Leid kann dich nicht halten,
Rein wasche mich von Missetat,
Das Herz ist mir zerspalten!
O treuer Gott, all Dein Gebot
Hab' ich in Wind geschlagen!
Fern von dem Herrn, zum Sündentod
Hat mich die Schuld getragen!

Wie wird mir's nun vor Dir ergehn?
Kein Recht kann mich beschönen!
Wie soll ich nun vor Dir bestehn
Dein Angesicht versöhnen?
Ich war verkehrt, o Schöpfer, wert!
Stumm muß ich vor Dir knieen,
Wohl bin ich wert, daß Feur und Schwert,
Das Recht an mir vollziehen!

Herr, stelle nicht in Eifermut
Dir meine Sünd' entgegen,
Laß nicht in des Gerichtes Glut
Mit Strafe mich belegen.
Dein Gnadenbund macht mich gesund;
Herr! Nicht der Sünd' gedenke,
Ach! jetzt zur Stund' zum Meeresgrund
All meine Schuld versenke!

Herr, gib, daß ich mit Zähren heiß
Dir Deinen Zorn begüte,
Mach mich recht schnee- und schwanenweiß,
Verleih' mir neue Blüte!
Ach! was geschehn, wer kann's umgehn?
Herr, sieh mein Herz in Schmerze
Entflammet stehn, sieh! Trän' auf Trän'
Zerrinnt's gleich einer Kerze!

Ach, dürft' ich zu den Augen Dein,
Die meinen nur aufschlagen!
Dürft' ich Dich nennen, Vater mein,
Wie zärtlich wollt' ich klagen!
O Vater mein, wollt' ich allein,
O Vater mein, nur sprechen,
Es müßte rein der Gnade Schein
Dir bald Dein Herz durchbrechen!

Da würd' Dein mildes Eingeweid',
Wie Wachs im Feuer fließen,
Du würdest mich mit Armen beid
An Deine Wangen schließen,
Herr, spräch' ich dann, ach! nimm nur an,
Nach Deiner großen Milde,
Nimm an geschwind, Dein armes Kind,
Verirrt war's in der Wilde.

Du würdest den verlornen Sohn
Mit Freuden groß empfangen,
Du gäbst ihm die verlorne Kron',
Mit Kleinod reich umhangen.
Dem neuen Kind ließt Du geschwind
Ein Freudenmahl anrüsten,
Die bei Dir sind, Dein Hofgesind',
All mit Dir jubeln müßten.

Nun bin ich's ja mitnichten wert!
Darf Dich nicht Vater nennen,
Wirst mich, der alles hat verzehrt,
Nicht mehr als Sohn erkennen!
Wie soll ich's dann nur greifen an,
Wem, wie dann soll ich's klagen?
Ach, ach! wer rät, zwar ist's schon spät,
Doch will ich nicht verzagen.

O stiller Mond, o Sterne still,
Laßt euch mein Elend dauern!
Bis mir mein Gott verzeihen will,
Helft klagen mir und trauern.
O Sternenpracht, die winkt und lacht,
Laß Trauer dich umfalten,
Und halt zur Nacht nur halbe Wacht,
Laß Finsternis halb walten.

Ja mehr noch, mehr noch, wollt' nur ganz
Die hellen Augen schließen,
Verlöschet allen Schein und Glanz,
Laßt keinen Strahl mehr schießen!
Zu Reu und Leid bin ich bereit,
Ade, Sonn', Mond und Sterne!
Im Büßerkleid, im Tränenstreit
Ich Spiel und Scherz verlerne.

Ade denn nun und noch einmal,
Ihr Lichter schön gezündet,
Ade, verlöschet jeden Strahl,
Es ist euch aufgekündet.
Vom Sonnaufgang bis Untergang
Will ich die Hände ringen,
Die Tage lang, die Nächte bang,
Will ich ein Klaglied singen.

In Finsternis gewunden ein,
So lang die Jahre währen,
Sei Speis und Trank mir nur allein
Der bittre Strom der Zähren,
Bis todeswärts mein krankes Herz
Auf Schmerz gebettet ruhe;
Ihm reicht' der Schmerz die Sterbekerz',
Ihm bau' der Schmerz die Truhe.

In Schmerz und Qual und Traurigkeit
Soll hin mein Leben ziehen,
In Weh und Ach und stetem Leid
Soll meine Zeit entfliehen!
Am Felsenwall, am Wasserfall
Will ich mein Zelt aufschlagen,
Da sollen Schall und Echohall
Mit mir den Jammer klagen.

Der Seufzer und der Klagen Lauf
Soll meine Wunden mehren,
Die Bächlein sollen schwellen auf
Von meinen vielen Zähren!
Ich seufz' und wein' bis Baum und Stein,
Bis Fels und harte Eichen,
Durch heiße Pein der Tränen mein,
Erbarmen und erweichen!

Wer weiß, ob nicht der fromme Gott,
Die Gnadenbrust erschließe,
Wer weiß, ob nicht Herr Sabaoth
Das Gnadenmeer ergieße!
Geschrieben steht: »Wer glaubt, empfäht,«
Wer hoffend Buß will tragen,
Dem Gnad' ergeht, nie ist's zu spät!
Wer wollte denn verzagen?

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