In das Stammbuch eines starkaugigten Mädchens

Mägdlein, schlag die Augen nieder,
Blicke, die so heftig steigen,
Plaudern alles fälschlich wieder,
Was die Lippen zart verschweigen.

Mägdlein, woll' die Augen senken,
Such' den Schlüssel an der Erde,
Sie wird ihn der Demut schenken,
Daß der Himmel offen werde.

Mägdlein, laß die Wimper sinken,
Fromme Blumen aufwärts sehen,
Deinen Blick herabzuwinken,
Wolle nicht vorübergehen.

Mägdlein, nicht die Augen hebe
Allzuoft und stark und schnelle,
Daß dein Blick den Himmel gebe,
Einmal nur an rechter Stelle.

Mägdlein, wer herniederblicket,
Der hat wohl sein Herz erbauet,
Der hat fromm sein Haus beschicket,
Eh' er sich der Welt vertrauet.

Mägdlein, senktest du die Augen
Den Endymion zu wecken,
Würdest du zu lieben taugen,
Jetzt nur taugest du zum Necken.

Mägdlein, woll' zur Erde sehen,
Dort laß deine Augen weiden,
Bis sie schüchtern auferstehen,
Und dich wie zwei Sterne kleiden.

Mägdlein, diese Augensterne
Magst du dann dem Himmel weihen,
Daß die Erde lieben lerne,
Mußt du ihr die Augen leihen.

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