Erich Mühsam

Erich Mühsam

06.04.1878 - 10.07.1934

Deutscher Schriftsteller

Erich Kurt Mühsam (6. April 1878 in Berlin – 10. Juli 1934 im KZ Oranienburg) war ein anarchistischer deutscher Schriftsteller, Publizist und Antimilitarist. Als politischer Aktivist war er maßgeblich an der Ausrufung der Münchner Räterepublik beteiligt, wofür er zu 15 Jahren Festungshaft verurteilt wurde, aus der er nach fünf Jahren im Rahmen einer Amnestie freikam. In der Weimarer Republik setzte er sich in der Roten Hilfe für die Freilassung politischer Gefangener ein.

In der Nacht des Reichstagsbrandes wurde er von den Nationalsozialisten verhaftet und am 10. Juli 1934 von der SS-Wachmannschaft des KZ Oranienburg ermordet.

Jugend und Ausbildung (1878 bis ca. 1900)

Mühsam wurde in Berlin als Kind jüdischer Eltern geboren und wuchs in Lübeck auf. Er hatte zwei Schwestern, Margarethe und Charlotte, und einen Bruder, Hans. Er war ein Cousin des SPD-Politikers Ernst Heilmann und des Schriftstellers und Übersetzers Paul Mühsam. Sein Vater Siegfried Mühsam war Apotheker und von 1887 bis 1915 Abgeordneter der Lübecker Bürgerschaft. Er und seine Frau Rosalie geb. Cohn schickten ihren Sohn Erich auf das humanistische Gymnasium Katharineum zu Lübeck. Dort war er im selben Jahrgang, aber nicht in derselben Klasse wie Gustav Radbruch, der ihn später als Reichstagsabgeordneter in der Festungshaft besuchte.

Mühsams schriftstellerische Neigung fiel bereits in seiner frühen Jugend auf, als er im Alter von elf Jahren begann, Tierfabeln zu verfassen. Dieses erste literarische Engagement verdichtete sich, als der 15-jährige Mühsam für die Auftritte der Clowns des örtlichen Zirkus erste satirische Beiträge beisteuerte.

Am 11. Januar 1896 wurde Erich von der Schule wegen „sozialdemokratischer Umtriebe“ verwiesen. Er hatte Berichte über schulinterne Vorgänge an den Lübecker Volksboten weitergegeben. Er beendete 1896 den Besuch vom Friedrich-Franz-Gymnasium (Parchim) nach der Untersekunda mit Mittlerer Reife. In Lübeck absolvierte er eine Apothekerlehre in der Adler-Apotheke.

Wanderjahre, Münchner Zeit, Novemberrevolution, Räterepublik (1901 bis ca. 1919)

1901 zog Mühsam nach Berlin, wo er zunächst in seinem erlernten Beruf arbeitete. Hier lebte er in einem Pensionszimmer in der Augsburger Straße direkt hinter dem Kurfürstendamm im Herzen des Neuen Westens, gemeinsam mit seinem Lebenspartner Johannes Nohl. Hier begegnete er unter anderem John Henry Mackay, Johannes Schlaf und Hanns Heinz Ewers.

1902 wurde er Redakteur bei der anarchistischen Zeitschrift Der arme Teufel, 1905 beim Weckruf. In dieser Zeit hatte er Kontakt zur Neuen Gemeinschaft; später wurde er von Margarete Beutler in die Künstlervereinigung Die Kommenden eingeführt. 1904 bis 1908 folgten Wanderjahre mit Aufenthalten in Zürich, Ascona, Norditalien, München, Wien und Paris, zusammen mit Johannes Nohl. Auf dem Monte Verità befreundete er sich mit dem Siedler Karl Gräser, nach dessen Vorbild er eine „Sammlungsstätte“ solcher Menschen errichten wollte, „denen sich gegen Knechtschaft und Vergewaltigung in echtem Grimme der Mensch aufbäumte“. Eine entsprechende Gemeinschaft und Herberge für die von der Gesellschaft Geächteten – Landstreicher, Bettler, Huren und Verbrecher – versuchte er dann in der Großstadt München zu schaffen.

Seit 1909 lebte er in München-Schwabing. Hier gründete er die dem Sozialistischen Bund angehörenden Gruppen „Tat“ und „Anarchist“ zwecks Agitation des Lumpenproletariats für den Anarchismus. 1910 wurde Mühsam verhaftet, wegen Geheimbündelei angeklagt und schließlich freigesprochen. Als Zentralfigur der Schwabinger Bohème war er befreundet mit Heinrich Mann, Frank Wedekind, Lion Feuchtwanger, Fanny zu Reventlow, Max Nonnenbruch und vielen anderen. Seiner Gruppe „Tat“ schlossen sich auch der Schriftsteller Oskar Maria Graf und der Maler Georg Schrimpf an, die ihm nach Ascona zum Monte Verità folgten. Mühsam war Mitarbeiter des Münchner Kabaretts und verschiedener satirischer Zeitschriften wie des Simplicissimus und der Jugend. Von 1911 bis 1919 gab Erich Mühsam in München die Zeitschrift Kain Zeitschrift für Menschlichkeit heraus, allerdings nicht während des Ersten Weltkrieges. Mühsam schrieb: „In dieser Stunde, wo es um das Schicksal aller geht, gibt es außerdem nichts Wesentliches und nichts, was eine Zeitschrift für Menschlichkeit angehen könnte“.

Am 15. September 1915 heiratete Mühsam Kreszentia Elfinger, genannt Zenzl, die ihren Sohn Siegfried in die Ehe brachte. Darüber hinaus blieb die Ehe kinderlos.

1918 wurde Mühsam wegen Verstoßes gegen das politische Betätigungsverbot und der Weigerung, am „Vaterländischen Hilfsdienst“ teilzunehmen, verhaftet und zu sechs Monaten Festungshaft in Traunstein verurteilt.

Im Zuge der Novemberrevolution wurde er Ende 1918 in München Mitglied des Revolutionären Arbeiterrats und befürwortete nach der Absetzung des Königs und der Ausrufung des Freistaates Bayern als demokratische Republik eine bayerische Räterepublik. Nach der Ermordung des bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner durch einen rechtsextremen Attentäter gehörte Mühsam mit Ernst Toller und Gustav Landauer zu den Initiatoren und Anführern der ersten Phase der Münchner Räterepublik ab dem 7. April 1919. Beim von der republikanischen Schutztruppe durchgeführten sogenannten Palmsonntagsputsch am 13. April 1919 gehörte Erich Mühsam zu den festgenommenen Mitgliedern des Zentralrats der Räterepublik und wurde zunächst im Zuchthaus Ebrach festgesetzt. Der Putschversuch wurde zwar von Rotgardisten unter dem Kommando Rudolf Egelhofers vereitelt, jedoch verblieb Mühsam in Haft, da er außerhalb der Zugriffsgewalt der Rätereregierung inhaftiert wurde. Die Räterepublik bestand danach noch etwa drei Wochen unter kommunistischer Führung weiter, nun im Wesentlichen dominiert von Eugen Leviné und Max Levien. Nachdem sie am 2. Mai 1919 durch Reichswehr und rechtsnationalistische Freikorpsverbände niedergeschlagen worden war, wobei neben anderen auch Mühsams Freund Gustav Landauer ermordet wurde, verurteilte man Mühsam als „treibendes Element“ zu 15 Jahren Festungshaft.

Haftjahre und Berliner Zeit in der Weimarer Republik (1920 bis 1933)

Nach fünf Jahren Haft wurde Mühsam 1924 amnestiert. Von der Festung Ansbach aus erklärte Mühsam im September 1919 seinen Eintritt in die KPD, trat jedoch nach wenigen Monaten wieder aus.

Die Haft verbrachte er zum größten Teil, nämlich ab dem 15. Oktober 1920, im Gefängnis Niederschönenfeld, wo ab dieser Zeit nahezu alle Inhaftierten aus der Zeit der Räterepublik untergebracht waren. Nach seiner Entlassung am 20. Dezember 1924 zog er nach Berlin und gab die anarchistische Zeitschrift Fanal heraus. Er war ein unermüdlicher Aktivist gegen die drohende Kriegsgefahr, neben anderen mit seinem Freund, dem Antimilitaristen Ernst Friedrich. Er arbeitete mit dem jungen Herbert Wehner zusammen. Auch zu Silvio Gesell, dem Begründer der Freiwirtschaftslehre, bestand eine besondere Nähe. Mühsam veröffentlichte in seiner Zeitschrift Fanal (7/1930) in einem Nachruf eine überaus positive Würdigung der Lebensleistung Gesells.

1925 bis 1929 engagierte er sich in der KPD-nahen Gefangenenhilfsorganisation Rote Hilfe Deutschlands, weil er die Justiz zur Zeit der Weimarer Republik für Klassenjustiz hielt. Die FKAD schloss ihn aus diesem Grunde unter dem Vorwurf der „KPD-Nähe“ nach nur kurzer Mitgliedschaft aus ihrer Organisation aus. 1929 trat er wegen politischer Differenzen aus der Roten Hilfe aus. 1926 war er bereits förmlich aus dem Judentum ausgetreten. In den Jahren 1931 bis 1933 veröffentlichte er unter dem Pseudonym „Tobias“ politisch-satirische Beiträge für den Ulk, die Wochenbeilage des Berliner Tageblattes. Anfang der 1930er Jahre wurde er Mitglied in der anarcho-syndikalistischen FAUD, bei der sein Freund und Kampfgefährte Rudolf Rocker bestimmenden Einfluss hatte. Als Sonderheft seiner Zeitschrift Fanal erschien 1932 kurz vor der „Machtergreifung“ durch die Nationalsozialisten seine programmatische Schrift Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat mit dem Untertitel Was ist kommunistischer Anarchismus? versehen.

KZ-Haft und Tod (1933 und 1934)

Kurz nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 wurde er von der SA verhaftet und 1934 im KZ Oranienburg nach über 16-monatiger „Schutzhaft“ von SS-Männern ermordet. Er solle sich umbringen, sonst würde das die SS tun. Mühsam sagte in der Nacht vor seinem Tod, er werde sich niemals das Leben nehmen. Die Meldung in der nationalsozialistischen Presse lautete: „Der Jude Erich Mühsam hat sich in der Schutzhaft erhängt“. Seine Mithäftlinge traten später dieser Darstellung entgegen und berichteten von der Ermordung Mühsams im Zimmer des Lagerkommandanten. Die internationale Presse meldete den Tod Mühsams als Mord des Naziregimes. Seine Frau Zenzl Mühsam, die er 1915 geheiratet hatte, berichtete von der Übergabe der Leiche Mühsams:

„Der Sarg wurde geöffnet. Vor mir lag mein Mann. Das Gesicht war bleich, aber ganz, ganz ruhig. Ein Streifen am Hals zeigte mir die Spuren des Strickes. ... Mein Schwager Hans sagte: ‚Entschuldige, mein Bruder, ich bin ein alter Arzt', zog ihm das Hemd aus, der Rücken war vollkommen verprügelt, und getötet war er durch eine Giftinjektion und tot aufgehängt im Abort.“

Epilog

Mühsam wurde auf dem Waldfriedhof Dahlem beigesetzt. Seine Witwe Zenzl Mühsam übergab den Nachlass an ein Moskauer Archiv, nachdem ihr weitgehende Zusagen gemacht worden waren, von denen jedoch kaum eine eingehalten wurde. Sie selbst kam in ein Gulag und wurde erst nach Stalins Tod in die DDR entlassen, wo sie 1962 verstarb. Die später als Ehrengrab der Stadt Berlin angelegte Grabstätte befindet sich im Feld 015-479/Abteilung 2A, Nr. 144. Im Grunde genommen ist das Grab kein zeitlich befristetes „Ehrengrab“, sondern vor dem Hintergrund der Ermordung Mühsams im KZ-Oranienburg und als „Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft“ ein Grab mit ewiger Ruhefrist (vergleichbar mit dem Grab des 1944 hingerichteten Grafen von Schwerin von Schwanenfeld in der Nähe). Der Grabstein wurde seit 1987 durch die spätere Um- bzw. Zubettung der Ehefrau Zenzl Mühsam verändert bzw. ausgetauscht. Für die Klarstellung um das Grab Mühsams sorgte der umfangreiche Briefwechsel der Journalistin Thea Struchtemeier, die das Grab vor der drohenden Einebnung 1987 bewahrte und der im Berliner Karin Kramer Verlag veröffentlicht wurde. Der Schriftsteller Ernst Jünger notierte in seinem 1949 erschienenen Pariser Tagebuch (Strahlungen) unter dem 10. September 1943 unter Bezugnahme auf eine im Frühjahr 1933 erfolgte Hausdurchsuchung: „Ich glaube man suchte Briefe des alten Anarchisten Mühsam bei mir, der eine kindliche Neigung zu mir gefaßt hatte und den man dann auf so schauerliche Weise ermordete. Er war einer der besten und gutmütigsten Menschen, denen ich begegnet bin.“

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