Im Riesengebirge

Verschneiter Berge Silberkuppen –
Der gelbe Mond treibt drüber her,
Und hohe Tannen, stumm und düster,
Zerriss'ner Felsen wirres Meer;
Des Bobers frühjahrstrübe Wellen
Durchgleißt des Mondes Silberschein,
Die Wasseramsel pfeift und trillert –
Heut ist es schwer, allein zu sein ...

Vom Grunde taucht ein Antlitz auf
Mit Augen treu und sonnenklar,
Mit weißer, faltenloser Stirn
Und kurzem, goldigrotem Haar,
Die Welle rauscht ein leises Wort,
Ein Lachen klingt, so schmerzensrein,
Wie ich es oft von ihr gehört –
O wärst du mein!

Krampf' dich zusammen, stolzes Herz,
Und zittre nicht, du heißer Leib,
Dies Weib wird nie dein eigen sein,
Denn sie ist eines andern Weib!

Es war bei heller Lampen Schein,
Da sah ich sie zum erstenmal,
Bei Gläserklang, Gesang und Wein,
Bei Unterhaltung, matt und schal;
Sie saß mir grade gegenüber,
Ihr frohes Kinderantlitz war
Bei all dem neidischgelben Klatsche
So unberührt und fromm und klar,
Sie plauderte so kindlichfromm
Vom Schönen, das die Erde gibt...

Sie war ein Weib, kaum achtzehn Jahre,
Sie liebte und sie ward geliebt ...
Wie reizend schoß die rote Glut
Ihr über Nacken und Gesicht –
Ich wußt' es, nie würd' sie mein eigen,
Ich wußt's und schloß die Augen nicht.

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