Der Arme und die Liebe

Es kam an einem Pilgerstab
Wohl über's graue Meer
Ein Wandersmann in's Thal hinab,
Von fremden Landen her.

Erbarmt euch meiner, rief er aus,
Von fernem Land ich kam,
Verloren hab' ich Gut und Haus,
Anthonio ist mein Nahm'.

Die Eltern starben mir schon lang',
Ich war noch schwach und klein,
War ohne Gut, war ohne Rang,
Und Niemand dachte mein.

Da nahm ich diesen Wanderstab
Und trat die Reise an,
Stieg hier in's frische Thal hinab,
Fleh' euer Mitleid an. –

Da ging er wohl von Thür zu Thür,
Ging hier und wieder dort,
Ward abgewiesen dort und hier,
Und schlich sich weinend fort.

»Was suchst du in der Fremde Glück?
Wir sind dir nicht verwandt!
Geh, wo du herkömmst, nur zurück,
Bist nicht aus unserm Land. –

Genug der Freunde leiden Noth,
Der Landsmann sucht hier Trost,
Für sie nur wächst hier Frucht und Brodt,
Für sie der süße Most.« –

Still und beschämt mit Ach und O!
Schlich er die Straße hin,
Da ruft es sanft: Anthonio!
Ein Mädchen winkt ihn hin.

O nimm von meiner Armuth an,
Spricht sie mit frommen Sinn,
Ich gebe was ich geben kann,
Nimm alles, alles hin.

Lucindens blaues Auge weint,
Er dankt mit heißem Kuß,
Und sieh! die Liebenden vereint
Ein rascher Thränenguß.

Ach nein, du bist mir nicht verwandt,
Dennoch erbarm ich mich,
Und bist du gleich aus fremden Land',
So lieb ich dennoch dich.

Die Liebe kennt nicht Vaterland,
Sie macht uns alle gleich.
Ein jedes Herz ist ihr verwandt,
Sie macht den Bettler reich!

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