Die harrende Geliebte

Ach du rother Sonnenschimmer,
Ach wann kommst du kühler Abend?
Wehen deine milden Lüfte
So wie gestern auf mich labend?
Als ein süßes Baumgeflüßter
Und ein Duft von Blumen wallte,
Und der ferne Strom wie Musik,
Und die Wogen wie die Harfen,
Und dazwischen seine Worte
Paradiesisch hold erklangen;
Und ein Streben und Beleben,
Und Verlangen und Ermatten,
In dem schönsten Freudentaumel
Hinzugeben sich, entbrannte,
Daß er nur die volle Liebe
Die ihm lebt' und starb, erkannte.
Aus der lieben dunkeln Ferne
Klagten laut die Nachtigallen,
Die die labend kühlen Töne
In den Abendschimmer sandten,
Wie die Töne kamen, zogen,
Und in ihnen Sehnsucht hallte,
Waren sie wie dunkle Grotten,
Mit den Schatten, mit den kalten,
Und die Seele, die so brünstig,
Die so liebend, die so bange,
Wohnte wie in sichrer Kühle,
Ruhte wie in mildem Schatten:
Wie ein Zelt von Lebensbalsam
War es um uns her geschlagen,
Und wir hielten inn'ger, lieber,
Schmachtender uns noch umfangen. –
Ach, und wie entfremdet ist mir
Alles, da entfernt mein Gatte,
Ungetreu ist Wasser, Blume,
Vögel, die noch gestern sangen,
Und im innern Herzen Geister,
Die so muthig Flügel schwangen. –
Wirst du mir nicht wiederkehren?
Wozu dieses Zittern, Bangen?
Ja, dann sterb' ich freudig gerne,
Denn das Höchste, Einz'ge, Alles,
Was das Leben, was die Erde,
Was der Gottheit volle Gaben
Je gewähren, seine Liebe
Ward mir und ich konnte sagen,
Wie ich ihn geliebt; Erwünscht, Tod,
Wann wir beide also starben.

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