Die spanische Treppe

Viel schon seit Wochen
Verdank' ich dir, du hohe Stiege,
Mein freundlicher Nachbar.
So wie die Gläubigen fromm
Dort am Lateran
Auf heiliger Staffel knien,
So nun seit Wochen
Wandl' ich, wenn die heiße Mittagssonne
Brennend nieder scheint,
Die edlen Stufen auf und ab,
Schau mich oben um,
Erblicke unter mir Rom,
Und dort den Vatikan und Peters Dom,
Steige wieder hinab,
Und übe mich im ermüdenden Spiel,
Fast bis die Kräfte schwinden.

Schon fühl' ich mich leichter,
Heitrer, kräftiger,
Die Fesseln lösen sich gelinde,
Und dankbar schau' ich hinauf
Zu meinem hohen Arzte.
Doch das Volk der Römer,
Die wie die Schlange die Sonne scheun,
Und weite Umkreise ziehn,
Dem Schatten folgend,
Schauen bedenklich,
Die Häupter schüttelnd,
Aus kühlen Räumen,
Und hinter vergatterten Fenstern,
Auf das deutsche Wunder.
Geht doch die Weltuhr jetzt
In allen Reichen
Neuen, niegesehenen Gang,
Wird man doch überall
Das Unerhörte gewohnt;
So sieht auch schon trägern Auges,
Der weniger Staunende
Mein Treppenbad ruhiger an.

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