Frühling und Leben

Aus Wolken winken Hände,
An jedem Finger rothe Rosen,
Sie winken dir mit schmeichlerischem Kosen,
Du stehst und fragst: wohin der Weg sich wende?

Da singen alle Frühlingslüfte,
Da duften und klingen die Blumendüfte,
Lieblich Rauschen geht das Thal entlang:
»Sei muthig, nicht bang!

Siehst du des Mondes Schimmer,
Der Quellen hüpfendes Geflimmer?
In Wolken hoch die goldnen Hügel,
Der Morgenröthe himmelbreite Flügel?

Dir entgegen ziehn so Glück als Liebe,
Dich als Beute mit goldnen Netzen zu fahn,
So leise lieblich, daß keine Ausflucht bliebe
Umzingeln sie dich, bald ist's um dich gethan.«

– Was will das Glück mit mir beginnen?
O Frühlingsnachtigall, singst du drein?
Schon dringt die sehnende Lieb' auf mich ein,
Wie Mondglanz webt's um meine Sinnen. –

Wie bang' ist mir's, gefangen mich zu geben,
Sie nah'n, die Schaaren der Wonne mit Heeresmacht!
Verloren, verträumt ist das fliehende Leben,
Schon rüstet sich Lieb' und Glück zur Schlacht.

Der Kampf ist begonnen,
Ich fühle die Wonnen
Durchströmen die Brust:
O, seel'ge Gefilde,
Ich komme, wie milde
Erquickt und ermattet des Lebens Lust.

Es winket vom Himmel
Der Freuden Gewimmel,
Und lagert sich hier:
Im Boden, ich fühle
Der Freuden Gewühle,
Sie streben und drängen entgegen mir.

Der Quellen Getöne,
Der Blümelein Schöne,
Ihr lieblicher Blick,
Sie winken so eigen,
Ich deute das Schweigen:
Sie wünschen mir alle zum Leben Glück. –

Nun geht das Kind auf grünen Wegen,
Den goldglänzenden Strahlen entgegen,
Im bangen Harren geht es weit,
Es klopft das Herz, es flieht die Zeit.

Es ist, als wenn die Quellen schwiegen,
Ihm dünkt, als dunkle Schatten stiegen,
Und löschten des Waldes grüne Flammen,
Es falten die Blumen den Putz zusammen.

Die freundlichen Blüthen sind nun fort,
Und Früchte stehn an selbigem Ort.
Die Nachtigall versteckt die Gesänge im Wald,
Nur Echo durch die Einsamkeit schallt.

»Morgenröthe, bist du nach Haus gegangen?
Ruft das Kind, und streckt die Händ' und weint;
O komm', ich bin erlös't vom Bangen,
Du wolltest mich mit goldnen Netzen fangen,
Du hast es gewiß nicht böse gemeint.

Ich will mich gerne drein ergeben,
Es kann und soll nicht anders seyn:
Ich opfre dir mein junges Leben,
O! komm' zurück, du Himmelsschein!«

Aber hoch und höher steigt das Licht,
Und bescheint das thränende Gesicht;
Die Nachtigall flieht waldwärts weiter,
Quell wird zum Fluß und immer breiter.

»Ach, und ich kann nicht hinüberfliegen!
Was mich erst lockte, ist nun so weit,
Der Morgenglanz, die Töne müssen jenseits liegen,
Ich stehe hier, und fühle nur mein Leid.«

– Die Nachtigall singet aus weiter Fern':
»Wir locken, damit du lebest gern,
Daß du dich nach uns sehnst, und immer matter sehnst,
Ist, was du thöricht dein Leben wähnst.« –

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