Marcello

Aus den uralten Tiefen,
In denen Sehnsucht, Schmerz und Wollust brannte,
Die Welt sich selbst erkannte
Und nicht mehr ihre ewgen Keime schliefen,
Entzünden sich von neuen
Die Strahlen, wollen mich von mir befreien. –

O Mensch, was können Sinnen,
Gefangen in den alten Frevel-Banden,
In den erstorbnen Landen,
Vor Zittern, Qual und herber Angst beginnen?
So hellres Sehnsuchtscheinen
Muß dich nur fester in dir selbst versteinen!

Da bricht der Zorn in Wogen
Herüber, reißt das Herz mit Sturmgewalten;
Wie kann da immer halten
Der Panzer, der mit Dumpfheit es umzogen?
Gieb, Seele, dich gefangen,
Errette dich zerschmelzend von dem Bangen.

Vom Abgrund seh ich spiegeln
Die grünen Blitze durch das nächtge Dunkel,
Ein freudenreich Gefunkel
Erröthet sich, da klingt mit Engelflügeln
Entbunden und gefunden
Der Wohllaut, zitternd, aus des Herzens Wunden.

Ich sehe sie entfliehen
Die schwarze Angst, den Zorn, die wilden Qualen,
Die goldnen Sonnenstrahlen
Wie im Triumphe nach dem Feinde ziehen:
So wohl thut mir das Reuen,
Daß Schmerzen, Wunden, Thränen mich jetzt freuen.

Zum Paradiesesgarten
Hinauf, hinauf, erklimmt ihn ihr Gesänge!
Ermuthigt im Gedränge
Seht dort die Engelschaaren eurer warten.
Wes Auge schaut hernieder
Und blizt mir Lieb und Furcht in meine Lieder?

Des Auges ernstes Blicken
Macht mich in stummer Freudenangst vergehen;
O wundersüße Wehen,
Euch bricht mein Herz in Leid und im Entzücken!
Hosannah dir zu singen
Wird dort vielleicht als Engel mir gelingen.

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