Der Kranz

Es pflückte Blümlein manigfalt
Ein Mägdlein auf der lichten Au;
Da kam wohl aus dem grünen Wald
Eine wunderschöne Frau.

Sie trat zum Mägdlein freundlich hin,
Sie schlang ein Kränzlein ihm in’s Haar:
„Noch blüht es nicht, doch wird es blühn;
O trag’ es immerdar!“

Und als das Mägdlein größer ward,
Und sich erging im Mondenglanz,
Und Thränen weinte, süß und zart:
Da knospete der Kranz.

Und als ihr holder Bräutigam
Sie innig in die Arme schloß:
Da wanden Blümlein wonnesam
Sich aus den Knospen los.

Sie wiegte bald ein süßes Kind
Auf ihrem Schooße mütterlich:
Da zeigten an dem Laubgewind
Viel goldne Früchte sich.

Und als ihr Lieb gesunken war
Ach! in des Grabes Nacht und Staub:
Da weht’ um ihr zerstreutes Haar
Ein herbstlich falbes Laub.

Bald lag auch sie erbleichet da,
Doch trug sie ihren werthen Kranz:
Da war’s ein Wunder, denn man sah
So Frucht als Blüthenglanz.

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