Durand

Nach dem hohen Schloß von Balbi
Zieht Durand mit seinem Spiele;
Voll die Brust von süßen Liedern,
Naht er schon dem frohen Ziele.
Dort ja wird ein holdes Fräulein,
Wann die Saiten lieblich rauschen,
Augen senkend, zart erglühend,
Innig atmend niederlauschen.
In des Hofes Lindenschatten
Hat er schon sein Spiel begonnen,
Singt er schon mit klarer Stimme,
Was er Süßestes ersonnen.
Von dem Söller, von den Fenstern
Sieht er Blumen freundlich nicken,
Doch die Herrin seiner Lieder
Kann sein Auge nicht erblicken.
Und es geht ein Mann vorüber,
Der sich traurig zu ihm wendet:
»Störe nicht die Ruh der Toten!
Fräulein Blanka hat vollendet.«
Doch Durand, der junge Sänger,
Hat darauf kein Wort gesprochen,
Ach, sein Aug ist schon erloschen,
Ach, sein Herz ist schon gebrochen.
Drüben in der Burgkapelle,
Wo unzähl'ge Kerzen glänzen,
Wo das tote Fräulein ruht,
Hold geschmückt mit Blumenkränzen,
Dort ergreifet alles Volk
Schreck und Staunen, freudig Beben,
Denn von ihrem Totenlager
Sieht man Blanka sich erheben.
Aus des Scheintods tiefem Schlummer
Ist sie blühend auferstanden,
Tritt im Sterbekleid hervor
Wie in bräutlichen Gewanden.
Noch, wie ihr geschehn, nicht wissend,
Wie von Träumen noch umschlungen,
Fragt sie zärtlich, sehnsuchtsvoll:
»Hat nicht hier Durand gesungen?«
Ja, gesungen hat Durand,
Aber nie mehr wird er singen,
Auferweckt hat er die Tote,
Ihn wird niemand wiederbringen.
Schon im Lande der Verklärten
Wacht er auf, und mit Verlangen
Sucht er seine süße Freundin,
Die er wähnt vorangegangen.
Aller Himmel lichte Räume
Sieht er herrlich sich verbreiten;
Blanka! Blanka! ruft er sehnlich
Durch die öden Seligkeiten.

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