Hypochonders Mondlied

Singt ihr in eurem Freudenliede:
Der heitre Mond am Himmel lacht,
Und ihm entstrahlt ein süßer Friede –
So habt ihr nie den Mond bedacht.

Seht ihr ihn dort herüberschweben,
Bleich, ohne Wasser, ohne Luft,
Er zieht mit ausgestorbnem Leben,
Ein Todtengräber sammt der Gruft.

Dort dringt der Mond mit seinem Schimmer
Still dem Nachtwandler ins Gemach
Und winkt und lockt aus Bett und Zimmer,
Der Schläfer folgt ihm auf das Dach,

Und huscht, geschloßner Augenlieder,
Hin, her, des Daches steilsten Bug,
Als hielte geistiges Gefieder
Enthoben ihn dem Erdenzug.

Der Mond zieht traurig durch die Sphären,
Denn all die Seinen ruhn im Grab;
Drum wischt er sich die hellen Zähren
Bei Nacht an unsern Blumen ab.

Darum durchschleicht er Fenster, Thüren,
Auf Diebessohlen leis und lind,
Der Erde heimlich zu entführen
Im Schlafe dies und jenes Kind.

Den Schläfern um den Leib zu schlingen
Sucht er sein feines Silbernetz,
Und sie zu sich hinaufzuschwingen;
Doch seine Fäden reißen stets.

Und ewig wird es ihm mißglücken,
Zu stehlen sich ein Spielgesind,
In seine Wüste zu entrücken
Ein lebenwarmes Erdenkind.

Der Mond wohl auch die Schlummerlosen
Der Erde zu entlocken sucht,
Er will mit schwärmerischem Kosen
Bereden sie zu früher Flucht.

Oft wenn ich ging durch Wald und Wiesen,
Log mir der Mondenschein so lang,
Ich sei auf Erden nur verwiesen,
Bis ich hinweg mich sehnte bang.

Weil er uns nicht vermag zu stehlen,
Nicht wachend, nicht in Schlafesruh,
Schickt er mit Blicken, stieren, scheelen,
Der Erde Todeswünsche zu.

Als Knabe schon konnt’ ich nicht schauen
Zum stillen, blassen Mond empor,
Daß nicht ein wunderliches Grauen
Mir heimlich das Gebein durchfror.

Nirgends, auf Wald und Feld und Straßen,
Frohlockt so hell des Mondes Licht,
Wie auf dem Kirchhof, wo verlassen
Ein armes Herz vor Leide bricht.

Ja, Gräber sind für ihn die Stelle,
Und an Ruinen Dorngesträuch;
Doch vor des Mondes schlimmer Helle
Bewahrt das Brautbett, rath’ ich euch.

Laßt ihr den Mond ins Brautbett scheinen,
Ist euer künftig Kind bedroht,
Denn viele Stunden wird es weinen,
Und wünschen wird es sich den Tod.

Wenn Schiffer Nachts das Meer befahren,
Umhüllen sie das Haupt genau,
Denn spielt der Mond mit ihren Haaren,
So färbt er sie frühzeitig grau.

Und bei Banditen geht die Kunde:
Ein Dolch, gewetzt im Mondenschein,
Sticht eine ewig stumme Wunde,
Trifft mittendurch ins Herz hinein.

Und jene grausen alten Weiber,
Die man nicht gern genauer nennt,
Weil ihnen sonst die dürren Leiber
Das tolle Volk zu Asche brennt;

(– Wenn auch von Aerzten, Philosophen,
Ein volkverwirrendes Komplott
Sie Hexen nennt und Teufelszofen,
Der aufgeklärten Zeit zum Spott –)

Die ziehn auf mondbestrahlten Heiden,
Und pflücken murmelnd Gras und Kraut,
Woraus zu manchen Zauberleiden
Manch böses Tränklein wird gebraut.

Bergjäger, der kein Raubschütz, meidet
Den Mond; ein Wild, im Mondenstrahl
Geschossen oder ausgeweidet,
Verwest so frühe noch einmal.

Und eine Tann’ im Wald geschlagen,
Wenn hell der Mond am Himmel blinkt,
Als Mastbaum in das Meer getragen,
Zerbricht der Sturm – das Schiff versinkt.

Tief in den höchsten Steyrerfelsen
Kenn’ ich ein Dörflein, wo man meint:
Der Mond wird schuld an dicken Hälsen,
Wenn er in einen Brunnen scheint.

Dort meint man auch, wenn Mondsgefunkel
Die Spinnerin am Rad umspinnt
Und widerglänzt von ihrer Kunkel,
Daß sie ein Leichenhemd gewinnt. – –

Weil mich der Mond, ins Zimmer glotzend,
Nicht schlafen ließ in dieser Nacht,
Hab’ ich Poet hinwieder trotzend
Dies Lied zum Schimpf auf ihn gemacht.

Noch wüßt’ ich viel von ihm zu melden,
Doch seh ich dort im Untergang
Hinunterducken meinen Helden,
Bevor ich noch das Schlimmste sang.

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